Von Stevens Pass nach Kanada

Da wir viele Tage kein Netz hatten, und in der „Zivilisation“ WLan oft bescheiden war, kommt der neue Beitrag heute etwas später. 

Nach einer erholsamen Nacht im kleinen Hotel in Leavenworth gönnten wir uns noch eine Waffel mit frischem Obst im Cafe, und trampten dann zurück zum Trail.

Mhhhh…. lecker!

Eine Dame mit Pickup nahm uns mit und so kamen wir in den Genuss, auf der Ladefläche eines Pickups zu fahren!

Mhhhh…. windig! 😉

Zurück am Stevens Pass, wo wir den Trail verlassen hatten, trafen wir am Rastplatz auf Stefanie und Sebastian, die gerade dort angekommen waren und ihr Versorgungspaket in ihren Rucksäcken verstauten. Wir waren gemeinsam am 8. April gestartet, hatten uns das letzte Mal Anfang Juni in Kalifornien gesehen, und so quatschten wir bei einem Kaffee und tauschten unsere Erlebnisse aus. Erst am frühen Nachmittag wanderten wir dann los – die vor uns liegende Etappe bis Stehekin ist 173 km lang. Vorbei an vielen Heidelbeerbüschen ging es durch dichten Wald nach oben. 

Am Abend kamen wir zu einem See mit Seerosen, an dessen Ufer wir unser Zelt für die Nacht aufbauten. Außer uns waren noch einige andere Wanderer da, allerdings vor allem Tages- und Wochenendwanderer. Am nächsten Morgen ging es weiter die Berge hinauf und es zeigten sich wieder atemberaubende Ausblicke.

Am Nachmittag, weit oben und in eher karg bewachsenem Gebiet, zog sich der Himmel zu und es wurde merklich kälter. Nebelschwaden krochen die Hänge hinauf und hüllten uns ein.

Tiefhängende Wolken in den Tälern

Schon bald kam auch leichter Regen dazu. Abends bauten wir zum ersten Mal seit Juni unser Zelt komplett, also mit Regenfolie, auf. Der Regen war gnädig, wir konnten sowohl das Zelt während einer Regenpause aufbauen als auch draußen essen ohne nass zu werden. Nachts regnete es leicht, aber da lagen wir ja gut geschützt im Zelt. Morgens um 5 erwachten wir von lautem Stampfen und lauten Atemgeräuschen. Irgendwas lief laut schnaubend um unser Zelt. Es war ein Wapiti – hier werden sie ‚Elk‘ genannt (ein Elch heißt ‚moose‘). Das Wapiti schaute uns neugierig an, knabberte am Gebüsch und dann stampfte es davon. An diesem Vormittag begegnete uns dann auf dem Wanderweg noch ein Stachelschwein – in aller Seelenruhe saß es auf dem Trail und knabberte am Gebüsch. Wir hielten gebührenden Abstand, wir wollten schließlich weder das Tier stören noch Ziel einer Stachelattacke werden. Nach ein paar Minuten verzog es sich dann ins Gebüsch und wir konnten weitergehen. Die Porcupines sind mittlerweile eher selten zu sehen, das war etwas besonderes.

Sitzend sieht es fast aus wie ein Affe
Hühnchen auf dem Trail
Mama Murmel und ihr Kindchen

Washington wartete weiter mit atemberaubenden Panoramen auf – und mit An- und Abstiegen.

Am 21. August stand für 10.18 Uhr etwas ganz besonderes an – eine Sonnenfinsternis! Hier in den Bergen Washingtons zwar nur zu 90 %, aber immerhin, ein seltenes Erlebnis und dann noch mitten in der Natur! Wir suchten uns eine Lichtung und machten zusammen mit Sebastian und Steffi eine längere Pause, um die Sonnenfinsternis zu genießen.

Chipstüten als SoFi-Brillen

Das Erlebnis hielt sich allerdings in Grenzen, es wurde zwar etwas dämmrig und kühlte stark ab, aber das war es auch schon. Nach wenigen Minuten war der Zauber vorbei und unser Essen interessierte uns deutlich mehr 🙂 
Wir wanderten weiter und zelteten am Abend an einem eiskalten Bach auf einem großen Zeltplatz, nur 8 km vor Stehekin. Stehekin ist eine kleine Ortschaft mitten in einem Nationalpark am Lake Chelan. Die Besonderheit des Örtchens ist, dass er nicht mit dem Auto, sondern nur über Wanderwege oder über den riesigen See per Fähre oder mit einem Wasserflugzeug erreicht werden kann. Der See ist der größte natürliche See in Washington. 18 km entfernt vom Ort trifft der PCT auf eine Forststraße, von wo aus 4 mal täglich ein Bus zum Ort fährt.

Der Shuttlebus

Der Ort ist unter Wanderern vor allem bekannt für eine sehr gute Bäckerei – und wir freuten uns schon sehr auf frische und vor allem wirklich selbstgebackene Köstlichkeiten. Die Bäckerei ist 3 km außerhalb des Örtchens, und der Bus hält dort – wir konnten schnell dort einkaufen, die nette Busfahrerin wartete extra 5 Minuten, bis alle hungrigen PCT-Wanderer eingekauft hatten. In Stehekin angekommen setzten wir uns erstmal ans Ufer des Sees und plünderten unsere Schätze aus der Bäckerei – nach gut 170 km Wanderung ohne Zwischenstop ist es purer Luxus, frische Köstlichneiten einer Bäckerei verschlingen zu können!

Lake Chelan ist toll

Wir entschieden uns, das Örtchen erst am nächsten Morgen wieder zu verlassen und campten auf dem örtlichen Zeltplatz mit Blick auf den See. Abendessen gab es im einzigen Restaurant des Ortes. Da der Ort so klein ist und Vorräte für die letzte Etappe bis zur Grenze nach Kanada dort nicht zu kriegen sind, hatten wir uns aus Leavenworth ein Paket nach Stehekin geschickt – außer Duschen, Wäschewaschen und Aufladen der Handys hatten wir einen sehr entspannten Tag – einen ‚Neroday‘, so nennt man im Hikerjargon Wandertage, an denen man ’nearly zero‘, also fast keine Kilometer, läuft. Mit dem ersten Bus ging es am nächsten Morgen dann zurück zum PCT – zu unserer großen Enttäuschung weigerte sich der Busfahrer jedoch, an der Bäckerei kurz zu warten, so dass wir leider nicht nochmal dort etwas einkaufen konnten. Schade! 

Leicht enttäuscht und hungrig starteten wir den Aufstieg zum nächsten Berg – einer der längsten Anstiege auf dem gesamten PCT stand an, mehr als 2000 Höhenmeter auf einer Strecke von gut 40 km. Der Weg führte uns durch den Nationalpark, einen dichten Wald und immer wieder auch durch dichtes Gebüsch, teilweise wuchsen dicht am Trail bis auf Augenhöhe Büsche mit Himbeeren, Huckleberries und Heidelbeeren. Lecker! Nicht nur Wanderer lieben frische Beeren – sondern auch Bären! Gegen Mittag sahen wir den ersten Bären, direkt neben dem Weg im Gebüsch, er war gerade dabei, Beeren zu futtern. Als er uns wahrnahm, verzog er sich sofort ins Gebüsch – allerdings nicht sehr weit, so dass wir ihn noch ein wenig beobachten konnten. Er war erstaunlich hell, dabei hieß es doch, in Washington seien die Schwarzbären tatsächlich sehr dunkel? Von der Fellfarbe her könnte es ein Grizzly gewesen sein, aber da wir ihn nicht so genau sehen konnten, ist das ein ‚könnte‘ – in der Grenzregion Washington-Kanada leben derzeit nur 8 Grizzlys, warum sollten wir also ausgerechnet einem von ihnen über den Weg laufen … Leider sind diese Begegnungen oft so schnell vorbei dass man kein Foto machen kann.

Keine 15 Minuten nach dieser Begegnung kam der nächste Bär – diesmal ein großer Schwarzbär, der auf dem Wanderweg stand. Ein Wanderer direkt vor uns wurde von ihm erschreckt, als er um eine Kurve bog und der Bär direkt dahinter auf dem Weg saß. Da wären wir auch erschrocken. Den Rest des Tages waren wir noch deutlich aufmerksamer als sonst, besonders wenn der Wanderweg von viel Gebüsch und daher nicht gut einsehbar war. Weitere Bären trafen wir jedoch nicht, insgesamt hatten wir jetzt also 7 Bären gesehen, Klapperschlangen nur 5! 

Unser Zelt schlugen wir an diesem Abend an einem kleinen Zeltplatz direkt an einem Wandererparkplatz auf. Am nächsten Morgen ging es wie gewohnt früh weiter, der restliche Aufstieg wartete, und wir wollten so viel wie möglich davon schaffen, bevor die Temperaturen zu sehr in die Höhe stiegen. Wieder oben, lichtete sich der Wald und die Berge zeigten sich in unendlich scheinenden Panoramen – wenn man einen Pass erklimmt und plötzlich so ein Panorama sieht, ist man einfach nur glücklich und dankbar!

Schön, was?

Und dankbar sind wir noch für etwas ganz anderes – dass wir es bisher ohne größere Verletzungen geschafft haben! Gegen Mittag begegnete uns ein älterer Wanderer, der so unglücklich gestürzt war, dass er sich die Schulter ausgekugelt hatte. Die nächste Straße und damit auch Hilfe war in beide Richtungen knapp 20 km entfernt – eine Entfernung, die er mit seiner Verletzung nicht bewältigen konnte. Auch Handyempfang gibt es in den Bergen nicht. Zum Glück war der Mann nicht allein, ein einheimischer Wanderer blieb bei ihm, eine Wanderin lief zur nächsten Straße, um Hilfe zu holen. Da wir nicht helfen konnten und der Mann nicht allein war, gingen wir mit leicht mulmigem Gefühl weiter – nach ca. 2 Stunden begegneten wir dann Wanderern, die einen SOS-Spot dabei hatten und dirigierten sie zu dem Verletzten. So ein Spot kann Leben retten – auch ohne Handyempfang funktioniert das. Im Notfall kann man den SOS-Knopf drücken, dann geht ein Hilferuf per Satellit mit GPS-Daten an die örtlichen Hilfskräfte. Wir hoffen, dass der Wanderer schnell Hilfe bekommen hat und es ihm inzwischen besser geht! 
Die Nacht verbrachten wir in 2000 m Höhe, und es wurde richtig kalt, morgens zeigte das Thermometer – 1 Grad an! 

Raureif am Morgen

Tagsüber wurde es dann zum Glück schnell wieder wärmer und so ging es weiter durch die Kaskadenkette Richtung Norden. Wir näherten uns tatsächlich der kanadischen Grenze. Nach so langer Zeit in greifbarer Nähe … Der letzte Wandertag! Der Weg gab noch mal alles – steile Aufstiege auf Pässe, rutschige Abstiege über Geröllfelder und grandiose Aussichten.

Nach 12 Stunden wandern waren unsere Füße platt – aber wir hatten das Tagesziel erreicht. Ein Zeltplatz direkt am Pass, gerade mal 17 km entfernt von der kanadischen Grenze! 
Die Nacht war wieder bitterkalt, aber das störte uns kaum, die Aufregung, so kurz vor dem Ziel zu sein, hatte uns erfasst. Auch wenn wir noch 500 Meilen in Kalifornien nachholen müssen und es für uns deshalb nicht das Ende der Wanderung ist, ist es doch ein Meilenstein für uns. 

Morgens ging es daher früh und hochmotiviert los – und um 11 Uhr waren wir endlich tatsächlich da – am 49. Breitengrad, der Grenze zwischen den USA und Kanada, die hier einfach eine schnurgerade Schneise im Wald ist.

Das Monument – genau auf der Grenze zwischen USA uns Kanada.

Steffi und Sebastian waren ebenfalls da, es ist schon was besonderes – gemeinsam waren wir an der mexikanischen Grenze losgelaufen, hatten uns am Ende der Wüste und dann kurz in Nordkalifornien wiedergetroffen, und jetzt sogar gemeinsam den nördlichen Punkt erreicht!

Gruppenfoto. Leider stand die Sonne ungünstig
… Und wir alleine.

Wir schossen Fotos, lachten gemeinsam und feierten 1 Stunde – und dann ging es weiter… Der PCT endet zwar offiziell an der Grenze, aber da man mitten im Wald ist, man muss weiterlaufen. Entweder zurück in die USA, ca. 50 km bis zur nächsten Straße, oder knapp 15 km nach Kanada rein, zur Zivilisation, einem großen Resort mit Restaurant, Hotel und Bushaltestelle. Natürlich entschieden wir uns für Kanada – und so erreichten wir gut 3 Stunden später das Manning Park Resort. Dort werden die Wanderer sehr freundlich empfangen, neben der Möglichkeit, zu duschen, gibts für jeden auch ein Willkommensgetränk – alkoholfrei (früher gabs ein Bier, das wurde abgeschafft – ob es wohl zu heftige Trinkgelage gab?). 
Wir starteten mit einem Kaffee, und dann ging es erstmal duschen. Im Anschluss gönnten wir uns ein Essen im Restaurant und buchten mithilfe der sehr hilfsbereiten Damen der Rezeption die Tickets für den Bus nach Vancouver. Praktischerweise fährt direkt am Resort täglich der Greyhoundbus Richtung Vancouver – leider jedoch nachts um 2! 

Insgesamt waren wir 8 Thruhiker, die an diesem Tag bzw. in dieser Nacht den Bus nehmen wollten – und wir durften sogar auf gemütlichen Sofas in der Lobby des Resorts warten! Viel Schlaf bekamen wir natürlich nicht, aber im Bus konnten wir noch etwas dösen – morgens um 5:30 Uhr kamen wir dann in Vancouver an. 

Von hier aus werden wir nun zurück nach Kalifornien fahren, um die übersprungenen 500 Meilen nachzuholen. Zuerst ging es aber nochmal kurz zu Laura nach Seattle für eine Nacht, von dort aus fahren wir jetzt mit einem Mietauto zusammen mit einem amerikanischen Paar über zwei Tage zurück. In Seattle mussten wir noch zu Cascade Designs, dem Herstellers unseres MSR-Zelts. Zum Glück sitzt der nämlich in Seattle. Die Reißverschlüsse des Zeltes waren beide in den letzten Tagen kaputt gegangen. Eigentlich versuchen sie sowas zu reparieren, aber als wir ihnen sagten dass wir heute weiter müssen, hatten wir innerhalb von 5 Minuten ein neues Innenzelt bekommen. Nachdem sie uns vor Monaten schon per Express neue Zeltstangen geschickt hatten, hat uns der Kundenservice von MSR wieder überzeugt. 

Fast 3500 km haben wir nun schon erwandert – Wahnsinn! Washington, der letzte der 3 US-Staaten, war bisher der schönste – aber auch der anstrengendste. Wir sind nun gespannt auf die Sierra Nevada!

9 Gedanken zu „Von Stevens Pass nach Kanada&8220;

  1. Hallo Ihr zwei,
    Respekt! Ganz toll! Natürlich auch wieder der schöne Bericht und die traumhaften Fotos.
    Schön, dass alles so gut geklappt hat, bin wahnsinnig beeindruckt!
    War gespannt was Ihr über die Sonnenfinsternis berichtet, gute Idee mit den Chipstüten. 🙂
    Viel Spaß auf der Fahrt, das ist auch immer ein Erlebnis finde ich und natürlich einem guten Lauf in den Bergen Kaliforniens.
    Ganz liebe Grüße?

  2. Hallo ihr zwei 😉 schön von euch zu Lesen und Herzlichen Glückwunsch ich habe gewust ihr seit Gewinner 🙂 denn Rest macht ihr mit der linken Ar…backe aber Passt Trotzdem weiter auf euch auf ok. 😉 Die Bilder sind mal wieder Klasse und das Panorama was ihr da seht und erlebt ist Traumhaft ich bin neidich und das ist ernst gemeint ;).Euch aber weiter hin viellllll Spass.:) Gr.Rainer

  3. Wahnsinnig schöne Bilder, so tolle Einblicke auf eurem Trail. Das müssen unvergessliche Erlebnisse sein. Euch für den Rest der Strecke alles Gute und D erwartet euch dann im Oktober. Liebe Grüsse Elke

  4. Glückwunsch euch beiden, den Rest schafft ihr jetzt auch noch 😉 man wird manchmal schon etwas neidisch, wenn man die tollen Bilder sieht. Passt weiter gut auf euch auf 😉 lg

  5. Sensationell
    Herzlichen Glückwunsch!!!
    Eure Berichte werden mir jetzt schon fehlen,es waren mit Abstand die besten, die
    ich vom PCT gelesen habe.Freue mich aber noch auf die High Sierras mit euch.
    Macht es gut und weiterhin viel GLÜCK.
    Rüdiger

  6. Liebe Nene, lieber Stefan, bin ich froh, daß es endlich wieder einen Blog von Euch gibt. Ich hatte mir zwar so etwas gedacht, aber ich war doch sehr froh, daß alles o.k.ist! Die Fotos sind ja wieder ein Traum! Hoffentlich geht es in Kalifornien so gut weiter! Ich hole morgen Irmela ab und habe sie bei mir, bis der Rest der Familie am Samstag aus Jesolo zurückkommt. Das wird sicher lustig-Euch beiden weiterhin alles Gute und viele schöne Erlebnisse! mit ganz lieben Grüßen! Mama

  7. Jetzt hab ich mir den Film angeschaut…gut, es ist ein Film, aber er vermittelt zum Gelesenen was ihr geleistet habt! Respekt! Ihr könnt so stolz auf euch sein.

  8. Hi Stephan und Irene,
    dann schließe ich mich gerne den Glückwünschen an, toll, was Ihr erreicht habt. Es waren wieder supertolle Fotos, umwerfende Landschaften und auch so interessante Tiere! Vor ein paar Tagen dachte ich mal, dass es auch eine Leistung ist, das Ihr nun schon 5 Monate täglich 24 h miteinander verbringt und immer noch zufrieden und glücklich miteinander wirkt!!!! ??
    Ich bin nun auch wieder mehr unterwegs, ich würde mal sagen, ich lege 7 „nerodays“ /Woche ein. ?
    Dann noch viel Freude auf den restlichen Kilometern in Kalifornien!
    Liebe Grüße von der P……

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